„Entlang der Farbenlinie“ W. E. B. Du Bois in Nazi-Deutschland

Abstract: The African-American sociologist and civil rights activist W. E. B. Du Bois (1868–1963) travels to Germany in 1936 for a five-month research stay. In his weekly column in the “Pittsburgh Courier,” he reports on the Olympic Games in Berlin, the Wagner Festival in Bayreuth, and vocational training at Siemens. In the last articles, which appeared after he had left the country, he presents his analysis of National Socialist society. He observes life in the totalitarian dictatorship “along the color line,” from a postcolonial perspective. To his own surprise, he finds that he himself experienced no discrimination, while the persecution of the Jews, which cannot be grasped with the category of “skin color,” surpasses in popular cruelty and government policy the racism he himself experienced and criticized in the United States. The essay discusses Du Bois’s reports from the German dictatorship on the basis of their first German-language edition and in the context of the debate about anti-Semitism versus colonial racism and “multidirectional memory.”

Keywords: W. E. B. Du Bois, Nazi-Deutschland, Reiseberichte, Rassismus, Antisemitismus

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Lisa Seuberth: Anti-Supremacist Speculations. George Saunders’s Lincoln in the Bardo (2017)

Abstract: While the prevalence of White supremacist groups in the US seems to be on the rise during the 21st century, popular cultural productions of this period suggest an increase in awareness concerning the social construction of Whiteness and its dependence on the degradation of non-Whiteness. As a test case for this hypothesis, the fantastic ghost story Lincoln in the Bardo (2017) is examined in terms of its engagement with the discursive practice Toni Morrison termed American Africanism, a specific form of White supremacist discourse that targets African Americans in particular. Morrison’s analytical catego-ries are applied to the contemporary novel to verify whether its anti-supremacist program at the story level matches its own discursive practice.

Keywords: White supremacy, historical fantasy, American Africanism, Africanist presence, contem-porary literature, USA

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Warum sie nicht gegangen ist: Beitrag zu einer Wissensgeschichte der Gegenwart

Abstract: Dieser Beitrag konturiert anhand von ausgewählten Szenen aus Medien und Literatur der Gegenwart eine Wissensgeschichte von häuslicher Gewalt. Im Fokus stehen affektive und gesellschaftliche Rezeptionen von Macht und Intimität, die Diskurse um häusliche Gewalt prägen, sowie die literarischen Eingriffe, die diese in Frage stellen und zu unterwandern versuchen. Diese Interventionen verfolgt der Beitrag anhand einer Reihe von Beispielen aus neueren autobiografischen Arbeiten, darunter Carmen Machados In the Dream House (2019) und Natasha Trethewey Memorial Drive. A Daughter’s Memoir (2020), sowie Antje Joels Prügel (2020). Dabei geraten kulturelle Vorstellungen von Macht und Widerstand, Gewalt und Ermächtigung in den Blick, die sich auf affektiver Ebene ereignen, ebenso wie Formen des Widerstands, die so flüchtig sind, dass sie erst im Nachhinein als solche registriert werden. This article explores cultural narratives and imaginations on domestic abuse, and how they are contested in the present moment. With regard to popular discourse and recent memoirs, the aim is to analyze affective structures at play in cultural perceptions on abuse and the role of storytelling for shifting cultural perspectives of violence and intimacy,  especially with regard to the cultural omnipresence of victim-blaming narratives. Drawing on the recent wave of autobiographical literature on intimate forms of abuse, such as Carmen Machado’s cross-genre memoir In the Dream House (2019) and Natasha Tretheway’s re-telling of her mother’s life and murder in Memorial Drive. A Daughter’s Memoir (2020), as well as on research in affect studies and feminist thought (Ahmed 2017), the article explores theories of dissent and defiance in the context of portrayals of abuse.

Keywords: Mediengeschichte, Popkultur, Affekttheorie, Wissensordnungen, Widerstands- und Gewaltforschung, Feministische Theorie

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Bucklichte Männlichkeit. Benjamins ‚Entstaltung‘ eines Konzepts im Anschluss an Lukács’ Theorie des Romans

Abstract: Dem Beitrag liegt der Befund zugrunde, dass poetologisch und zugleich geschichtsphilosophisch ausgerichtete Texte des frühen 20. Jahrhunderts ein unterbestimmtes Konzept in sich implementieren, mithilfe dessen sie sowohl ihre Gegenstände als auch ihre Verfahrensweisen plausibilisieren wollen: Es handelt sich um das Konzept der Männlichkeit. Indem Georg Lukács’ Theorie des Romans (1916) mit essayistischen Beiträgen Walter Benjamins konstelliert wird, soll gezeigt werden, wie eine je unterschiedliche Auffassung dieses Konzepts auch das Design der Perspektiven maßgeblich beeinflusst. Lukács’ Verständnis einer „gereiften Männlichkeit“, so die These, durchstreicht sein Romanprojekt recht eigentlich und stabilisiert zugleich das Geschlechterprojekt; bei Benjamin hingegen kündigt sich mit Blick auf sein bucklicht Männlein ein – so der Hilfsbegriff – Schwund phallozentristischer Ordnungen von Geschichte und Geschichten an, was sich letztlich als grundlegend für sein Philosophiemodell erweist. Auf diese Weise leuchtet der Beitrag etwas aus, das – in aller Mehrdeutigkeit – die Haltung der Literatur genannt werden kann.

Keywords: Lukács, Benjamin, Haltung, Männlichkeit, Schwund

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Stefan Krankenhagen: All these Things. Eine andere Geschichte der Popkultur. Berlin/Heidelberg: Metzler 2021. 381 Seiten. Eine Rezension von Jonas Nesselhauf

Als Neil MacGregor, der damalige Direktor des British Museum, vor ein paar Jahren A History of the World in 100 Objects veröffentlichte, setzte danach ein regelrechter ‚material turn‘ ein, der inzwischen zahlreiche ähnliche Bücher hervorgebracht hat: Die Geschichte der Medizin, des Ersten Weltkriegs oder gar der Fußballweltmeisterschaften werden anhand von ganz konkreten, wenn auch immer exemplarisch ausgewählten Objekten erzählt – die dabei jedoch nicht allein auf ihre Materialität reduziert werden. Vielmehr entsteht eine alternative Kulturgeschichte, die über die künstlerischen und technologischen Herstellungsbedingungen, über die alltäglichen Gebrauchskontexte oder über die Gedächtnisfunktion dieser Gegenstände nachdenkt.

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