Ole Nymoen/Wolfgang M. Schmitt (2021): Influencer – Die Ideologie der Werbekörper, Berlin: Suhrkamp, 192 S., ISBN: 978-3-518-07640-8, 15€. Eine Rezension von Tanja Prokić.
Irgendwie will der den Farben des Instagram-Logos nachgeahmte Farbverlauf auf dem Cover der Kollektivmonografie von Ole Nymoen und Wolfgang M. Schmitt nicht so recht mit dem scheinbar zeitlosen Grafikdesign der edition suhrkamp-Reihe zusammenpassen. Vielleicht weil der Farbverlauf einst als gestalterisches Konzept (bis 2004) des Grafikers Willy Fleckhaus eine zentrale Stellung eingenommen hat. Jeder der jährlich erschienenen 48 Bände erhielt einen Farbton des Regenbogens, wodurch die Reihe trotz Differenz Identität und Wiederkennungswert gewann. Dass nun ausgerechnet auf dem Cover zu einer Publikation zu Influencer:innen Teile eben dieses klassischen Farbenspektrums von Gelb über Pink bis Dunkellila in einem Instagram nachgeahmten Verlauf genutzt werden, scheint symptomatisch für die Geschichte des Verlags und den Inhalt des Buchs. Während das Instagram-Farbfilter-Spektrum auf den geteilten Fotografien der unterschiedlichsten Profile alles in das luminöse, verheißungsvolle Licht eines Sonnenuntergangs hüllt, wirken die Farben der Suhrkamp-Reihe und des Covers im Speziellen trotz ihrer Farbigkeit eigentümlich antiquiert. Eine visuelle Diagnose, die sich spätestens mit der Lektüre des 190 Seiten schmalen Bandes auch auf dessen Inhalt übertragen lässt. Hier kommt ein Set an veralteten methodischen Zugriffen zum Einsatz, die ein komplexes empirisches Problem mit der Eitelkeit der Theorie zu beschreiben suchen. Kaum gewappnet ist dieses Set für die schwierigen Querverbindungen und Verschiebungen, die das globale Phänomen der Influencer:innen eben nicht nur touchiert, sondern die ihnen inhärent sind.
Influencer:innen, das sind Personen, die in den sozialen Netzwerken über die Anzahl an Follower:innen Reichweite und damit Einfluss generieren. Auf ihren Social-Media-Profilen produzieren sie Content rund um ihre Persönlichkeit und ihr „privates“ oder berufliches Leben. Die parasoziale Beziehung, die die Influencer:innen zu ihrer Community aufbauen, ist zentrale Basis für die Generierung einer stabilen Follower:innenschaft und schließlich bei der Empfehlung von Produkten. Diese contentnahe Empfehlung ist jedoch kaum mehr von Werbung zu unterscheiden. Im Influencer-Marketing werden diese Profile seit einigen Jahren gerade auf Grund dieser Tatsache gezielt auch für Produktplacement genutzt oder Influencer:innen als Werbeträger:innen unter Vertrag genommen. Die Infrastrukturen, auf denen die Influencer:innen ihre Kanäle und Profile pflegen, profitieren von dem Traffic, den sie durch ihren Content erzeugen, das macht sie wiederum als Werbeplattformen klassischer Werbung für die Unternehmen attraktiv. In Influencer:innen-Profilen tritt das „perpetuum mobile“ aus Infrastruktur, Content, Werbung und Marketing vielleicht am augenscheinlichsten in Erscheinung.
Nymoen und Schmitt versprechen nun in der ersten Publikation zu diesem brandaktuellen Thema, dem Phänomen auf den Grund zu gehen. So lautet es programmatisch im Vorwort:
Die Influencer zeichnen wir keineswegs in rosigem Licht, wir sehen in ihnen eine ernst zu nehmende Gefahr, da sie antiaufklärerisch agieren und ihre Follower manipulieren. Sie erzeugen ein falsches Bewusstsein, das sie wiederum gewinnbringend auszubeuten wissen, ja, sie verherrlichen das ,beschädigte Leben‘ im Spätkapitalismus. (S. 10)
Es lässt sich hinter dieser pauschalen und kurzschlussartigen Hypothese kaum etwas anderes erahnen als der Versuch den Erwartungen eines Publikums, dass eben jenen Titel im Sortiment der geschichtsträchtigen edition suhrkamp erwirbt, zu entsprechen. Ein Publikum, dass sich gerne in seinem Ressentiment gegen das „beschädigte Leben“ der digitalen (Jugend-)Kultur bestätigt sieht. Nymoen und Schmitt liefern mit ihrem Verbeugungsgestus gegenüber imaginierten Ideal-Leser:innen eine kommensurable Kritik, die Eindeutigkeiten verspricht und Mehrdeutigkeiten zumutet – aber weder für das eine noch das andere befriedigende Erklärungen liefert. Denn, das wird bereits bei dem ausgewählten Zitat aus dem Vorwort deutlich, die Influencer:innen erhalten vom Autoren-Duo im Zeitalter eines digitalen Finanz- bzw. Plattformkapitalismus (vgl. dazu Vogl 2021; Srnicek 2019) extrem viel Handlungsmacht, wenn es um die Produktion eines falschen Bewusstseins geht. Jedem der zehn illustren Kapitel des Buchs ist eine abstrahierte Beschreibung eines Influencer:innen-Beitrags vorangestellt, die thematisch in die Überlegungen einführt. Nymoen und Schmitt bemühen sich um historische Genesen, Wechselwirkungen und Dynamiken sowie Konstellationen der „Sozialfigur“ Influencer:in (S. 7) im Zeitalter der digitalen Kultur. Der Begriff der Sozialfigur erhielt zuletzt mit dem ebenfalls in der Reihe edition suhrkamp erschienenen Band Diven, Hacker, Spekulanten. Sozialfiguren der Gegenwart (2010), herausgegeben von Stephan Moebius und Markus Schroer, wissenschaftliche Relevanz. Dass die Influencer:in in besagtem Band (noch) fehlt und vielmehr all die Einträge, die der Band vom „Amokläufer“ bis zum „Voyeur“ versammelt, mal weniger, mal ziemlich exakt („der Star“, „der Berater“, „der Dandy“, „der Kreative“) Aspekte der Influencer:in beinhalten, scheint derweil signifikant. Eine Auseinandersetzung und Kontextualisierung mit diesen anderen Sozialfiguren müsste notwendig zu der Frage führen, ob die Influencer:in als Sozialfigur gut beschrieben ist, oder ob sich in ihr weit mehr kristallisiert als die – im Übrigen auch durchweg im generischen Maskulinum abgeleiteten – versammelten Sozialfiguren. Nymoen und Schmitt stellen sich diese Frage nicht, sie setzen, extrapolieren und synthetisieren stattdessen u. a. schwer vereinbare Theoriestücke aus der Kapitalismuskritik, der Ökonomie, der Filmwissenschaft, den Gender Studies, der Soziologie oder den Kulturwissenschaften, um ihrer Sozialfigur auf den ideologischen Leib zu rücken
Mehr zu erfahren gewesen wäre, wenn Influencer:innen als Scharnier zwischen klassischen Güter-Unternehmen (inklusive Marketing) einer kriselnden Postwachstumsgesellschaft und den großen Plattformen wie Instagram, Youtube oder Twitter gefasst würden, die ihr Produkt als neutrale technologische Infrastrukturen der „sozialen“ Vernetzung inszenieren. Influencer:innen würden dann als Problemlösungen sichtbar werden, d. h. als Lösung für eine Transformation, die sich durch eine zunehmende Digitalisierung der Ökonomie ergibt und als eine von vielen problematischen Folgen – wie z. B. die Abschaffung traditioneller Berufe, fortschreitende Prekarität oder gesättigte Märkte – eines bis mindestens auf die 1960er zurückgehenden Konsumptionsproblems.
Zwar scheinen die Autoren um die „Krise(n) des Fordismus“ (S. 36–39) und über die jüngsten Publikationen von Wolfgang Streeck, Nick Srnicek oder Philipp Staab informiert, dennoch kommen sie zu übereilten Schlüssen, wenn das Verhältnis von Influencer:innen und Plattformen (S. 40–44) genauer bestimmt wird: So wird einerseits darauf hingewiesen, dass die Produktionsmittel (die Plattformen) nicht in den Händen der Influencer:innen liegen und sich dadurch Bedrohungsszenarien für die eigene Existenzgrundlage ergeben (S. 44), anderseits kommt es zu der realitätsfernen Einschätzung, dass Influencer:innen „die Werbung perfektioniert“ haben und „mit den Netzgiganten auf deren eigenen Plattformen“ konkurrieren würden (S. 43), ihnen sogar „einen immer größeren Teil ihrer Einkünfte“ abgrüben (ebd.).
Wie gleichzeitig die Plattformen als Bedrohungsszenario der eigenen Existenzgrundlage funktionieren und als Grundlage für eine unverhältnismäßige Bereicherung „der Netzgiganten“ Influencer:innen dienen, wäre erklärungsbedürftig, bleibt als ambigue Aussage aber kein Einzelfall. Vielmehr beschleicht die Leser:in das Gefühl, als hätte dieser „Ambiguitätsstil“ – ein kommunikativer Stil, der sich mehrdeutigen Interpretationen und Anschlüssen durch gewollte rhetorische Unschärfe anbiedert – im gesamten Buch System. Indirekt verrät dieser Stil viel über seine Gemeinsamkeit mit der Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Formen von Werbeappellen, die Influencer:innen-Beiträge nutzen. Der rationale Appell, der objektiv von dem beworbenen Produkt überzeugt, wird in den Testimonial-Appell der Insider Nymoen und Schmitt, die selbst auf den unterschiedlichen Plattformen ihre Profile pflegen, gehüllt. Da, wo die argumentative Beweisführung auf sich warten lässt, wird sie mit sensualen Appellen, die auf emotionaler Ebene adressieren oder der Strategie der Verunsicherung, die scheinbar kontraintuitiven Neuigkeitswert ankündigt, überdeckt. Es handelt sich um einen Mixed Style, den Moritz Baßler (2021) kürzlich für die Literatur auch als International Style bezeichnet hat: Ein, für die ganze Palette vom rationalem Begehren nach Wissen bis zur Bestätigung des nur Gefühlten, hochgradig inklusiver Stil. Thomas Elsaesser hat diesen Stil für das späte Hollywoodkino, einmal als „access for all“ beschrieben. Das Kinoerlebnis sei auf diese Weise für alle Kulturen und Religionen der Welt offen, weil Versatzstücke von Mythen und Motiven so elegant aneinander montiert werden, dass sich alle irgendwie mit ihren Gefühlen, Werten und Leitprinzipien wiedererkennen. Der Film nähert sich damit unweigerlich einem perfekten Produkt an. Eine Strategie die das algorithmusbasierte Postfernsehen und -kino auf Netflix inzwischen perfektioniert hat. Die angepriesenen Formate sind das Ergebnis eines via Algorithmen ermittelten Durchschnittgeschmacks. Offensichtlich wird bei diesen Produkten letztlich vor allem eins: Gleichgültig ob es sich um Literatur, Film, Serie, Dokumentation oder Sachbuch handelt, Welt wird im Modus des bereits Bekannten zur Verfügung gestellt, Unbekanntes sich zu erschließen damit nach und nach überflüssig.
Ganz ähnlich funktioniert der Titel von Nymoen und Schmitt, indem er ein augenzwinkerndes Publikum bedient, dass sich damit zufriedengibt, tiefere Zusammenhänge mit dem Plattformkapitalismus und der Warenästhetik (Marx, Haug) im Modus des Bekannten zu erahnen. Gleichzeitig nimmt der Titel aber auch jenes Publikum widerspruchsfrei mit, das sich nach der auf dem Buchdeckel angepriesenen Eineindeutigkeit, nämlich, dass Influencer:innen schuld am Kulturverfall sind, sehnt.
Irritierend müssen jenseits des Kommunikationsstils bei genauerem Besehen aber auch die genealogischen Linien erscheinen, die die Autoren aufmachen, um das Phänomen des Influencing als Medienpraxis in seiner historischen Konstellation zu verorten. Wenn man denn die Prämisse teilte, Influencer:innen seien die Kinder von Patrick Bateman (S. 11f.), dem berüchtigten Serienkiller-Manager aus der gleichnamigen Verfilmung (1995) von Bret Easton Ellis’ epochemachenden Roman American Psycho (1991), dann wäre es durchaus interessant etwas über ihre Verwandtschaftsbeziehung mit den weniger schizoiden Tanten und Onkeln im Unterhaltungs-Fernsehen der 1990er zu erfahren. Zwar erwähnen Nymoen und Schmitt die Reality-TV-Show Big Brother (S. 17), welche Funktion aber gerade das Fernsehen als Vorreiter für Influencer-Marketing über mobile Endgeräte haben sollte, wird in ihrer Analyse nicht deutlich. Das ist schade, denn es ließe einige aufschlussreiche Hypothesen über die Intimisierung von Kommunikation und die Verschiebung der Grenzen des Sag-, Denk- und Zeigbaren in den Massenmedien zu. Ein Großteil ihrer Kommunikationsmodi, ihrer rhetorischen Formeln, ihrer Ansprachen, ihrer Settings übernehmen die Influencer:innen aus dem Boulevardfernsehen der späten 1990er, aber auch aus den partizipativen Formaten der Jugendkultur auf den Sendern Viva oder MTV. Ein Vergleich mit diesen Formaten wäre erkenntnisfördernder als die beliebigen Verweise auf Mainstream-Filme wie Matrix (1999), Die Truman Show (1998) oder Shopaholic (2009). Auch muten die Ausführungen zum Product-Placement in Hollywood-Reihen wie James Bond oder Sex and the City schief an, da es ja beim Product-Placement eben um abgeschlossene Erzähluniversen geht. Hier wird das Produkt gerade strategisch beworben, um die Distanz zu den Leinwandheld:innen in Nähe zu transformieren. Beim Influencing ist der Ausgangspunkt ein anderer, zuerst wird eine freundschaftliche Beziehung und intime Nähe hergestellt, auf deren Basis dann authentisch beliebige Produkte, Marken und Firmen beworben werden können. Es würde doch relativ schnell deutlich werden, dass diese Strategien nicht auf einer antiaufklärerischen Absicht der Influencer:innen beruhen, sondern sich als konsequente Folge des Konsumptionsproblems und erst durch die Rahmenbedingungen der Plattformen antiaufklärerisch auswirken. So wäre etwa auf die Umstellung der Plattform Youtube von Clickbait auf Watchtime hinzuweisen, um die Genese der formalen Restriktion verstehen zu können, der Influence-Formate ausgesetzt sind. Die Regie der menschlichen Aufmerksamkeit muss ihre Strategien entsprechend anpassen, denn von der Bindung der Follower:innen hängt letztlich die Monetarisierung ab. Alles Fragen, mit denen natürlich schon das Fernsehen, das Radio und die Boulevardpresse konfrontiert waren. Der Verweis auf das IT-Girl der 2000er schlechthin, nämlich Paris Hilton (S. 25), hätte einen entscheidenden Baustein zur Analyse nicht nur der veränderten Struktur im Kampf um Aufmerksamkeit geben können, sondern auch in Bezug auf die Produktion von intimisierter und personalisierter Informationen ohne Neuigkeitswert, von dem ein Großteil der Influencer:innen auf Youtube oder Instagram Gebrauch machen. Es war nämlich Paris Hiltons Agent, der immer eine Kamera dabeihatte und die „Skandalvideos“ seines Stars geschickt der Presse zuspielte, die daraus wiederum Storys gesponnen haben, die Hilton schließlich Berühmtheit verschaffen sollten. Berühmtheit für das Berühmtsein an sich. Ein für die neuen Aufmerksamkeitsökonomien der digitalen Kultur folgenreiches Konzept: Content-Produktion auf der Basis einer parasozialen Bindung. Das kann man übrigens sachgemäß alles bei Sarah Frier in No Filter. The Inside Story of Instagram (2020) nachlesen, deren Investigativjournalismus weit mehr Zusammenhänge über das Phänomen Influencer:innen offenbart als Nymoens und Schmitts Studie. Der Baustein, den erst die Megaplattformen im Verbund mit digitaler und vollautomatisierter Spitzentechnologie zur Verfügung stellen, garantiert schließlich die Entfesselung des IT-Girl-Konzepts. Jetzt kann jede:r sich als Marke etablieren, d. h. als Medium beliebiger (Marken-)Botschaften. Diese Professionalisierung der Amateure verschiebt den Kampf um Einschaltquoten auf die Ebene eines individualisierten Überlebenskampfs, indem das Engagement der Influencer-Söldner:innen über das Schicksal der Giganten im Krieg der Plattformen entscheidet und letztlich andersrum, unser aller Partizipation (auch der User:innen) über das Überleben von Plattformen. Dieses ökonomische Doublebind verdiente gesonderte Aufmerksamkeit, die sich bei Nymoen und Schmitt so allerdings nicht findet:
Die Serialität der Produktion darf auf keinen Fall eintönig wirken, das haben auch die digitalen Plattformen verstanden, die ihren Creators ständig neue Tools an die Hand geben, um Individualisierungen und Ausdifferenzierungen innerhalb des vorgegeben – und bei Instagram quadratischen Rahmens zu ermöglichen. (S. 70)
Das Gefüge, das Technologien zur Professionalisierung von Amateuren, das Absatzproblem des Spätkapitalismus, neoliberales Unternehmertum, die Verknappung von Sozialleistungen, zunehmende Prekarisierung, die Transformation der Arbeitswelt, die Utopie des ewigen Wachstums und der Optimierung von Lebensverhältnissen mit dem ganzen Spektrum menschlicher Affekte verknüpft, ist weit komplexer als es die Autoren mit ihrem anachronistischen Methodeneklektizismus einer „Ideologie der Werbekörper“ zu fassen vermögen. So verlangte eigentlich bereits dieser Untertitel ein paar Erläuterungen, die zu klären hätten, inwiefern Ideologiekritik der Digitalisierung mit Phänomenen wie Datamining, Personalisierung, Quantifizierung, algorithmischer Prädiktion etc. überhaupt noch gerecht werden kann und was genau unter Spätkapitalismus zu verstehen ist. Dass schließlich eine Pauschalisierung als „die Influencer“ (S. 150) schwierig ist, zeigt sich spätestens dann, wenn Influencer-Marketingstrategien auch vom rechten Populismus angeeignet werden, um Affekte durch Themeninvasion zu mobilisieren. Von den Autoren wird dieser Zusammenhang zwar touchiert (S. 169), aber kaum in seiner Komplexität erfasst. Ein Beispiel hätten sie sich an Enis Maci nehmen können, die diese schwierige Verkopplung in ihrem ebenfalls bei Suhrkamp erschienen Essay Eiscafé Europa (2018) in dem Kapitel „to blend in/into sth. (Nachruf)“ mit Sinn für die Form der Kritik wundervoll vorführt.
Die sehr amerikanische Verkopplung von Demokratie und Marketing unter dem Deckmantel der Public Relations hatte seinerzeit Edward Bernays zur Erfindung der amerikanischen Bürger:innen als Konsument:innen vorangetrieben, um revolutionäre Massenaffekte zu dissoziieren. Maci hingegen führt vor, dass diese bewährte Strategie gegen die neuen Massenaffekte aktueller populistischer Bestrebungen nicht mehr immun ist bzw. durch sie instrumentalisiert wird. Eine Ideologiekritik, wie sie Nymoen und Schmitt bemühen, reicht an die komplexen Bedingungsverhältnisse längst nicht mehr hin. Sie trägt leider vielmehr dazu bei, den Vorwurf an die (Ideologie-)Kritik als überkommenen, eskapistischen Gestus zu bestätigen. Dabei wäre eine Revitalisierung unter den Vorzeichen der Digitalisierung so dringend nötig. Einstweilen bleibt den Leser:innen, die mehr erwartet haben, ein hoffnungsvoller Blick in Richtung Gegenwartsliteratur. So legen Joshua Groß, Johannes Hertwig und ihre Grind-Gang mit dem Reader Mindstate Malibu. Kritik ist auch nur eine Form von Eskapismus (2018) eine interessantere Spielart zur Wiederbelebung der Kritik vor.