Hanna Hagmann, Helga Kotthof, Wolf-Andreas Liebert & Nicolas Potysch: Kommunikative Praktiken der religiösen Radikalisierung - Tagung der KWG-Sektion „Sprache und kommunikative Praktiken“

Am 29.07.2017 fand an der Universität Koblenz Landau, Campus Koblenz, die erste Tagung der KWG-Sektion „Sprache und kommunikative Praktiken“ mit dem Thema „Kommunikative Praktiken der religiösen Radikalisierung“ unter der Federführung der Sektionsleitung Prof. Dr. Wolf-Andreas Liebert, Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz, Prof. Dr. Helga Kotthoff, Albert-Ludwigs Universität Freiburg, und Nicolas Potysch, RuhrUniversität Bochum, statt. Die Sektionstagung knüpfte an die Sektionssitzung der letzten Jahrestagung der Kulturwissenschaftlichen Gesellschaft 2016 an, bei der IS-Propagandavideos als Radikalisierungszeugnisse unter kulturwissenschaftlicher Perspektive verhandelt wurden. Bei dieser Veranstaltung standen nun die kommunikativen Praktiken religiöser Radikalisierung als weitergefasster Komplex im Vordergrund, wobei der konkrete Fokus speziell auf islamistischer Radikalisierung und Gewalt lag.

Einführung

Das Thema ‚Religiöse Radikalisierung‘ oder ‚Religiöse Gewalt‘ gewinnt immer mehr an gesellschaftlicher und politischer Brisanz. Konkret zeigt sich die Relevanz des Themas an Jugendlichen, die sich radikalisierten Gruppen anschließen oder in Syrien für den Islamischen Staat kämpfen. ‚Religion‘ findet im öffentlichen Diskurs statt. Die Kulturwissenschaft kann sich dem Thema ‚Religiöse Radikalisierung‘ nicht entziehen. ‚Religion‘ ist Ausdruck menschlichen Handelns und so Teil von ‚Kultur‘. Die entsprechenden sprachlichen und kommunikativen Prozesse können kulturwissenschaftlich analysiert werden, z.B. wie sich Radikalisierung auf der Ebene kommunikativer Praktiken abspielt. Eine Stärke der Kulturwissenschaft hierbei ist die Interdisziplinarität und der Rückgriff auf verschiedene wissenschaftliche Ansätze. In der Religionswissenschaft werden u.a. die Themen ‚Religion und Gewalt‘ oder ‚religiöser Terrorismus‘ verhandelt. Die Gründe oder der konkrete Ablauf von Radikalisierung werden in soziologischen Arbeiten aufgegriffen. Die Rolle von Sprache und kommunikativen Praktiken wird dabei nicht berücksichtigt. Der Zusammenhang von Sprache und Religion wird derzeit in der Linguistik diskutiert, wobei jedoch die Formen religiöser Radikalisierung keine Rolle spielen. Hier setzt die Tagung „Kommunikative Praktiken der Religiösen Radikalisierung“ an und bietet die Gelegenheit, einen interdisziplinären Ansatz einer Radikalisierungsforschung zu entwerfen und Wissen aus verschiedenen Bereichen zu verknüpfen.

Struktur der Tagung

Die Tagung war von ihrer Grundidee als Citizen Science-Projekt angelegt, bei dem von Anfang an auch studentische Teilnehmer/innen in die Planung eingebunden waren. Der Grundgedanke dieses Modells ist es, wissenschaftliche Laien miteinzubeziehen. Die Tagung sollte also nicht dem gängigen Format einer wissenschaftlichen Tagung mit Frontalvorträgen und anschließender Diskussion entsprechen, sondern einen Interaktionsraum zwischen Expert/inn/en und Teilnehmer/innen schaffen. Abgesehen vom Impulsvortrag von Prof. Dr. Bekim Agai, mit dem eine gemeinsame Wissensbasis geschaffen wurde, folgte die Tagung dem Prinzip des ‚Weltcafés‘ – bzw. ‚Wissenschaftscafés‘. Die Teilnehmer/innen verteilten sich in Kleingruppen an Experten-Tische, um dort unter Anleitung von Moderator/inn/en unter der Leitfrage nach den kommunikativen Praktiken selbstständig zusammen zu denken und zu diskutieren. Nach der Diskussionsphase folgte eine Reflexionsphase, bei der die jeweils unterschiedlichen Ergebnisse auf Karten an Pinnwänden strukturiert und gesichert wurden. Anschließend wurden die Ergebnisse gesichtet, wobei die Pinnwände für alle Teilnehmer/innen einsehbar waren. Es bestand außerdem die Gelegenheit der Diskussion mit den anderen Expert/inn/en. Neben den Pinnwänden wurden auch Poster von Studierenden des Master-Seminars „Vermittlerfiguren der Transzendenz“ unter Leitung von Prof. Liebert aufgestellt. Diese behandelten u.a. Bekehrungsvideos von ‚Hasspredigern‘, Radikalisierung aus der Elternperspektive und Radikalisierung aus der Innensicht.

Folgende Expert/inn/en waren anwesend:

Prof. Dr. Bekim Agai, Professor für Kultur und Gesellschaft des Islams in Geschichte und Gegenwart an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Dr. Marwan Abou-Taam und Evin Merve Jakob, Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz.

Kaan Orhon, HAYAT-Deutschland.

Husamuddin Meyer, Gefängnisimam an der Justizvollzugsanstalt Wiesbaden.

Dominic Musa Schmitz, Autor des Buchs „Ich war ein Salafist. Meine Zeit in der islamistischen Parallelwelt“.

Joachim Gerhard, Autor des Buchs „Ich hole euch zurück: Ein Vater sucht in der IS-Hölle nach seinen Söhnen“.

Ergebnisse des Wissenschaftscafés

Wissenschaftliche Perspektive (Islamische Studien)

Prof. Dr. Bekim Agai bezeichnete in der Diskussion den theoretischen Zugang als schwierig, umso wichtiger sei es, den Kontext und etwaige Erfahrungsdaten hinzuzuziehen. Auch bei der Arbeit mit ‚authentischen‘ Daten wie Videos könnten keine Prozesse von Radikalisierung untersucht werden, sondern lediglich Milieus. Die Erkenntniskonstruktion erfolge so immer erst im Nachhinein. Das Erkennen radikaler Phänomene als solche gestalte sich schwierig, da radikales Gedankengut auch in weiten Teilen der gesellschaftlichen Mitte zu finden sei, so z.B. bei vielen AfD-Wählerinnen und -Wählern. Auch der Aspekt der Gewaltbereitschaft sei kennzeichnend für Radikalisierung, gewaltbereite Fußballfans würden jedoch nicht als radikal gelten, da sich deren Gewaltbereitschaft nur auf die eigene Gruppe bzw. die gegnerische Fangruppe beziehe und sie weiter Teil des sozialen Gesamtgefüges seien. Agai bezeichnete Radikalisierung als graduelles Phänomen, an dessen Anfang der Selbstausgrenzungsgedanke stehe, was sich im Radikalisierungsprozess bis hin zu Gewalt entwickeln könne. Durch Ausgrenzung und das Bereitstellen vermeintlich alternativloser Weltbilder wird eine enge, nach außen abgeschottete Gruppenzugehörigkeit hergestellt. Den Medien maß Agai eine besondere Rolle bei dem Prozess der Radikalisierung bei. Besonders soziale Medien seien Informations- und Verbreitungsplattform für radikale Positionen. Agai warf hier die Frage auf, inwieweit radikale Positionen so zum Mainstream werden könnten. Agai betonte, dass Radikalisierung immer im Zusammenhang mit der Gesamtkultur gesehen werden müsse, da sich Radikalisierungsprozesse kulturell verschieden darstellten. Gleichzeitig bedeuteten gleiche Sozialisationserfahrungen nicht automatisch gleiche Radikalisierung.

Perspektive Verfassungsschutz (Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz)

Dr. Abou-Taam stellte fest, dass es keine allgemeine Erklärung für die Radikalisierung eines Menschen gebe. Ähnlich wie Agai betonte er, dass gleiche Sozialisation nicht zwingend zu einem gleichen Grad von Radikalisierung führen müsse. Für Abou-Taam ist Sprache zentrales Element der Wissensvermittlung und essentiell für jegliche Form der Radikalisierung. Die Heilsideologie und Weltdeutung von radikalisierten Gruppen seien leicht verständlich und in sich stimmig, wofür besonders junge Menschen leicht empfänglich seien. Gerade junge Muslime der dritten Generation hätten aufgrund von Ausgrenzungen einen starken Wunsch nach gemeinschaftsstiftenden Erlebnissen – AbouTaam nannte dies das „Nachgeborenenphänomen“ – und an diesem Punkt würden Salafisten mit ihrer Ideologie ansetzen und auf bestehende Bedürfnisse reagieren. Präventionsmaßnahmen müssten an dem Moment der Abkehr vom alten Denksystem und der Hinwendung zu einer neuen Ideologie ansetzen und radikale Angebote dekonstruieren, dieser Moment sei aber schwer herauszufinden. Als problematisch sah Abou-Taam auch die kulturelle und sprachliche Legitimierung von Gewalt. Auch unterscheide sich die Sprache der Vertreter radikaler Gruppen kaum merklich von der Sprache Vertreter nicht-extremer Positionen. Außerdem würden zur Schaffung eines eigenen Weltbilds oftmals Fakten herangezogen, die objektiv zunächst den realen Gegebenheiten entsprächen, woraus zum eigenen Welt- und Wahrheitsbild passende Schlüsse gezogen würden. Dies mache die Bewertung verdächtiger Personen schwieriger. Ein weiterer Punkt, den Abou-Taam ansprach, war die Sprache als Träger von Emotion, was er an einem Beispielvideo von Pierre Vogel deutlich machte, der sich einer aggressiven Intonation und Gestik bediente.

Perspektive Präventionsarbeit

Kaan Orhon von HAYAT sprach von Schwierigkeiten bei der Bewertung von Radikalisierungsprozessen. Das Umfeld der Jugendlichen müsse zunächst genauer betrachtet werden, ebenso wie die eventuell instabile Familiensituation. Auch seien Jugendliche mit instabiler religiöser Biografie eher von Radikalisierung betroffen. Auslöser für Radikalisierung seien Fremd- und Selbstausgrenzung, radikale Gruppen würden Jugendlichen das fehlende Zugehörigkeitsgefühl vermitteln und eine Wir-Identität erschaffen. Dabei sei zu betonen, dass Radikalisierung jeden treffen könne, unabhängig von Herkunft, sozialer Schicht, Bildung und Geschlecht. Wie auch Agai schrieb Orhon den Medien, im Speziellen dem Internet als Informationsquelle und Kommunikationsplattform, eine bedeutende Rolle im Radikalisierungsprozess zu. Der Einstieg in die salafistische Szene geschehe aber meist durch eine Schlüsselperson aus dem persönlichen Umfeld. Nach dem ersten Kontakt mit Mitgliedern erhielten die Jugendlichen Informationsmaterial, die weitere Vernetzung geschehe über das Internet. Orhon beschrieb auch seine Arbeit bei HAYAT. Nach Klärung des Umfelds und der Familiensituation folge die Intervention. Dies erfordere auch eine enge Zusammenarbeit mit Polizei, Psychologen und Islamwissenschaftlern. Nach positiver Beratung sei der Fall abgeschlossen. Während der Diskussion wurde auch der etwas andere Radikalisierungsprozess bei jungen Frauen angesprochen, weil bei diesen oft amouröse Internet-Kontakte mit Salafisten oder gar Djihadisten eine Rolle spielten, also eine gewisse Romantik in die Verquickung hineinspiele.

Perspektive islamische Gefängnisseelsorge

Gefängnisimam Husamuddin Meyer machte ebenfalls ein mangelndes Selbstwertgefühl und persönliche Probleme verantwortlich für die Empfänglichkeit für radikales Gedankengut. Gerade im Gefängnis würden den Jugendlichen/jungen Erwachsenen der Salafismus oder djihadistische Ideologien als sinnvolle Zukunftsperspektive präsentiert, getragen von dem Spiel mit Identität und Angst. Eine wichtige Handlungsstrategie im Umgang mit Radikalisierung sei hier der Einsatz von islamischen Seelsorgern und Sozialarbeitern. Islamische Experten könnten durch ihr Wissen die Instrumentalisierung islamischer Begriffe – die oftmals dem Koran zuwiderlaufe – zur Legitimierung von Gewalt dekonstruieren und aufklären. Meyer plädierte ebenfalls für einen institutionalisierten islamischen Religionsunterricht an den Schulen, der einem festen Lehrplan folgen solle und durch die Vermittlung von Wissen über den Islam präventive und aufklärerische Wirkung habe. Meyer plädierte für die Zusammenarbeit von staatlichen (Kotthoff) Ins titutionen und Vertretern des Islams, um entsprechende Vorgaben und Kriterien zu entwickeln.

Perspektive Aussteiger

Dominic Musa Schmitz berichtete über seine Zeit als Salafist und seinen (Kotthoff) Ausstieg. Er machte unter anderem auch seine instabile Familien- und Lebenssituation für seine Radikalisierung verantwortlich und vermutete, dass jemand mit gefestigter Identität nicht radikalisiert werden könne. Während einer jugendlichen Sinnkrise brachte ein Freund ihn mit dem Islam in Kontakt. Daraufhin knüpfte Schmitz Kontakte zu Salafisten, er besuchte dieselbe Moschee wie Sven Lau. Für Schmitz hielt der Salafismus zu diesem Zeitpunkt Antworten auf seine Lebensfragen bereit und gab ihm Struktur und Halt im Leben sowie ein bisher unbekanntes Gemeinschaftsgefühl. Das Islambild, das sich ihm darbot, entsprach nicht dem negativen Bild des Islams der Medien. Er konvertierte drei Monate nach dem ersten Kontakt allein in seinem Zimmer. Seine Zeit als Salafist sei durch ein Elitegefühl geprägt gewesen, das durch den Kontaktabbruch zu weniger radikalen Gläubigen verstärkt wurde. Der Ausstieg gelang Schmitz ohne professionelle Intervention von außen, auch trotz des Druckes seiner Glaubensbrüder. Schmitz‘ Ausführungen decken sich mit denen von Orhon und Abou-Taam.

Das Poster zur Aussteigerperspektive behandelte Schmitz‘ Buch „Ich war ein Salafist“ (2016). Die Studentin (Julchen Krämer) erkennt verschiedene kommunikative Praktiken der Radikalisierung, die die einzelnen Phasen des Radikalisierungsprozesses – Anwerbung, Erweckung, Entfaltung in der Gemeinschaft, Zweifel und Abwendung – kennzeichnen. Zu Beginn stehe das persönliche Gespräch mit Vermittlerfiguren, später überwiege die persönliche Kommunikation mit dem Transzendenten. Schmitz fungierte als aktiver Salafist als Vermittlerfigur, nach seinem Ausstieg nahm er die Rolle einer anti-salafistischen Vermittlerfigur ein.

Elternperspektive

Joachim Gerhard berichtete aus der Elternperspektive über die Radikalisierung seiner beiden Söhne, die nach Syrien gingen, um sich dem IS anzuschließen. In Kontakt mit dem Islam kamen sie durch einen Freund, die konvertierte Freundin des älteren Sohnes habe auch eine große Rolle gespielt. Gerhard sei dann der plötzlich veränderte Lebenswandel seiner Söhne aufgefallen, der Radikalisierungsprozess habe insgesamt nur drei bis vier Monate gedauert. In der Moschee, die die Söhne besuchten, gab es laut Gerhard keine Anzeichen von Radikalisierung oder radikalen Tendenzen seitens der Imame. Dennoch seien die Söhne durch anwesende Hassprediger beeinflusst worden. Auch hätten Salafisten gezielt Jugendliche in der Moschee angesprochen, um diese bei privaten Treffen radikalisieren zu können. Hier bestätigt sich auch die Perspektive der Präventionsarbeit, dass Freunde Auslöser für die Radikalisierung waren und Radikalisierung jeden treffen könne. Gerhard beklagte, dass Eltern radikalisierter Jugendlicher von Staat und Polizei nicht unterstützt werden.

Die Studentinnen (Lara Klapperich und Melanie Spenrath), die für das Poster zur Elternperspektive verantwortlich zeichnen, analysierten die Bücher von Neriman Yaman „Mein Sohn der Salafist“ (2016) und Joachim Gerhard „Ich hole euch zurück“ (2016). Beide Autorinnen schildern die große Rolle, die das Internet als Informations- und Vernetzungsplattform bei der Radikalisierung ihrer Kinder einnahm. Auch der persönliche Kontakt zu bereits Radikalisierten, bspw. Prediger oder Freunden, sei essentiell für den Radikalisierungsprozess der Kinder gewesen. Eine solche Perspektive könne mit psychoanalytischen Perspektiven angereichert werden, die sich mit unbewussten Prozessen wie Gier nach Idealen und Wunsch nach Heilung beschäftigen, die alle Jugendliche betreffen können.

Podiumsdiskussion

Bei der anschließenden Podiumsdiskussion stellten die Expert/inn/en nochmals ihre Diskussionsergebnisse vor und es bot sich die Möglichkeit zur direkten Nachfrage. Es folgte eine gemeinsame Datensitzung, bei der ein Video mit dem bekannten Salafisten Abul Baraa, der auch in Bendorf bei Koblenz aktiv war, gezeigt wurde. Hier profitierte die Diskussion von Schmitz‘ Insiderwissen und Agais und Abou-Taams theoretisch-wissenschaftlicher Verortung. Dies deckte sich in weiten Teilen mit den Ergebnissen des studentischen Posters zu Bekehrungsvideos. Die Studierenden (Vivien Hellweg und Carolin Knopp) verglichen Bekehrungsvideos von Aboul Baraa und Pierre Vogel und stellten in beiden Videos eine Art Wohlfühlatmosphäre fest, die von den Predigern erzeugt wurde, sowie das positive Aufnehmen des Konvertiten durch die Gemeinde. Unterschiede gab es in der Benutzung der arabischen Sprache.

Erstellung einer Agenda

Zum Abschluss der Tagung wurden die Eckpunkte einer interdisziplinären Radikalisierungsforschung diskutiert. Dabei wurde Radikalisierungsforschung als Untersuchung von Zusammenhängen kommunikativer Episoden definiert. Die Figuren der Radikalisierung und die sie umgebenden Narrative müssten Gegenstand der Forschung sein. Die verwendeten Konzepte, Begriffe, Schlüsselwörter oder Sinnformeln müssten auf ihre kulturelle Aufladung, das zugrundeliegende Vorverständnis und Ambivalenz hin untersucht werden. Es sollte nach den unterschiedlichen Stilen der Radikalisierung gefragt werden sowie das Weltbild (elitär, polar, transzendente Positionierung) analysiert werden. Ein weiterer Punkt sei die Frage nach Radikalisierungsgewinnen/Distinktionsgewinnen. Hier spielten dann auch psychologische Faktoren hinein. Ebenso sollte die Rolle des ‚Ichs‘ bzw. des ‚Selbstes‘ untersucht werden, wenn es um Selbstaufwertung oder die Selbstaufgabe zugunsten etwas Höherem gehe. Interessant für die Radikalisierungsforschung sollte auch die Betrachtung von Genderaspekten und Rollenstereotypen sein. Des Weiteren sollte der Enkulturationsprozess analysiert werden, die Anschlussherstellung zu einer bestimmten Gruppe und die hybride Identitätsbildung etwa zwischen archaisch begründeten Werten und Nutzung moderner Medien. Auch ließe sich nach dem Sinnstiftungspotenzial von Religion fragen, speziell von radikalen Auslegungen von Religion. Ebenso interessant sei die Aufarbeitung verschiedener Biografien von Radikalisierten unter der Perspektive kommunikativer Praktiken, wie dies auf der Tagung immer wieder thematisiert wurde, und die zur Beobachtung von Unterschieden und Gemeinsamkeiten ebenso beitragen können wie zu einer Identifizierung von Elementen für eine gelungene (De-) Radikalisierung.