Emanuele Coccia (2018): Die Wurzeln der Welt. München: Hanser; S. 192. ISBN: 978-3-4233-4979-6.
Die Pflanze – ortsgebunden, still, und scheinbar passiv führt sie ein Schattendasein in der menschlichen Wahrnehmung. Ob als Nahrungsquelle, Schattenspender, Dekorationsobjekt, Rohstofflieferant oder Arzneimittel, scheint sie nur soweit wichtig zu sein, wie sie dem Menschen Nutzen bringt. In der antiken Scala Naturae finden sie sich auf der vorletzten Stufe wieder, nur vor den Mineralien aber weit hinter den Säugetieren und der „Krone der Schöpfung“: dem Menschen. Seit Jahrtausenden dominiert diese, vorwiegend am Menschen (oder beziehungsweise Gott) ausgerichtete Weltanschauung, nicht umsonst wird unser Zeitalter nun auch Anthropozän genannt.
I can't conceive the nucleus of all/ Begins inside a tiny seed/And what we think as insignificant/ Provides the purest air we breathe/But who am I to doubt or question the inevitable being/For these are but a few discoveries/We find inside the Secret Life of Plants1
Im Jahr 1979 veröffentlichte Stevie Wonder den Soundtrack zu dem Dokumentarfilm The Secret Life of Plants, welcher auf dem gleichnamigen Buch von Peter Tompkins und Christopher Bird aus dem Jahr 1973 basiert. Während das Buch damals von Kritikern und Wissenschaftlern als wissenschaftlich fehlleitend und mythologisch bezeichnet wurde2 (die Autoren hatten darüber geschrieben dass Pflanzen zu Emotionen fähig wären), schwingen im oben zitierten gleichnamigen Lied Wonders Ideen mit, die immer wieder aufgegriffen wurden: Das geheime, mysteriöse Leben der Pflanzen. Auch David Attenboroughs BBC-Dokumentation The Private Life of Plants aus dem Jahr 1995 ergründet die Pflanzenwelt aus der Perspektive, dass die Pflanzenwelt dem Menschen fast vollständig verschlossen ist und deshalb genauer betrachtet werden sollte. In den letzten Jahrzehnten wurde diese Entschlüsselungsarbeit fortgesetzt, sei es durch Peter Wohllebens Bestseller Das geheime Leben der Bäume. Was sie fühlen, wie sie kommunizieren – die Entdeckung einer verborgenen Welt3, Florianne Köchlin, die in ihren Büchern die Pflanzenkommunikation interdisziplinär erforscht (wie Jenseits der Blattränder. Eine Annäherung an Pflanzen4 oder Pflanzenpalaver. Belauschte Geheimnisse der botanischen Welt5), bis hin zu Stefano Mancuso, der nicht nur über die Intelligenz der Pflanzen6 und deren evolutionäre Besonderheiten schreibt, sondern auch erklärt, wie das menschliche Leben sich an den nicht-hierarchischen Netzwerken der Pflanzen als Vorbild und Inspiration orientieren könnte.
Diese wachsende Aufmerksamkeit für die besonderen Eigenschaften der Pflanzen bestimmt auch Emanuele Coccias 2018 auf Deutsch erschienenes Buch Die Wurzeln der Welt (Originaltitel: La vie des plantes. Une metaphysique du mélange), wenn auch aus einer ungewöhnlicheren Perspektive.
Der italienische Philosoph Coccia, der als Professor für Philosophiegeschichte an der École des Hautes Études en Sciences Sociales in Paris7 tätig ist, hatte zuvor Schriften zu Werbung und Ästhetik veröffentlicht. In diesem Buch erweitert er seine Arbeit auf die Frage zur Existenz des Lebens, der Grundlage allen Seins und deren Verortung in der Natur. Im Mittelpunkt stehen dabei ausdrücklich, diejenigen Lebewesen, welche wir zum Leben brauchen, die aber auch ohne uns leben können: Pflanzen.
Auf 188 Seiten, von denen allein 33 aus den Anmerkungen zum vorausgegangenen Text bestehen, eröffnet er eine Sichtweise auf die Pflanzenwelt, die diese aus dem Randbereich herausholt, der ihr, so Coccia, sowohl in den Naturwissenschaften als auch in der Philosophie zugewiesen wird. Sein Ziel ist es, den Eindruck der passiven Pflanze durch den der aktiven „Weltenmacher“ zu ersetzen.
Er möchte dabei auch den Kreis seines eigenen Werdegangs schließen: Als Jugendlicher besuchte er zunächst eine Landwirtschaftsschule, wo er sich fünf Jahre lang mit Pflanzen, ihren Eigenschaften und Bedürfnissen, beschäftigte. Auch wenn ihn sein darauffolgendes Studium in die Richtung der Geisteswissenschaften führte, ließ ihn die Faszination für seine wissenschaftlichen Wurzeln nicht los.
Sein Buch ist dabei insofern speziell, als dass es nicht ein weiterer Sammelband von wissenswerten Anekdoten und Fakten aus der Natur ist, die dem Menschen die Pflanze als neues Identifikationsobjekt näher bringt, sondern ein essayistisch-philosophisches Plädoyer darstellt, das über die Dogmatik der theologischen Grundzüge der Naturwissenschaften hinausgeht und die Pflanze als schöpferische Grundlage der Existenz des Lebens etablieren möchte. Die Welt als Garten zu verstehen, sei – so Coccia – für viele kein Problem. Doch die Rolle der Pflanze in diesem Garten wäre nicht, wie man annehmen würde, die des passiven Garten-Inhalts, sondern die des Gärtners.
Dabei geht es ihm vor allem darum, anhand der Pflanzen zu beweisen, dass es weder Grenzen zwischen den wissenschaftlichen Disziplinen noch zwischen dem lebenden Subjekt und dessen Umwelt gibt. Eine Metaphysik der Mixtur, wie der Originaltitel verheißt.
Das Buch ist in drei Teile unterteilt:
Im ersten Teil, der dem Blatt gewidmet ist, führt der den Ursprung des Klimas – und damit verbunden auch den des Lebens, der Atmosphäre, des Atmens – auf dieses zurück. Blätter stellen „das Kosmische Bindegewebe“8 dar, in dem sich Leben und Klima vermischen und vereinen. Diese Vermischung und Einheit ist die Grundlage seiner Argumentation, dass alles Leben nicht nur im Fluss ist und damit ständigen Veränderungen unterliegt, sondern auch gleichzeitig miteinander in Verbindung steht. Er beschreibt dazu das Konzept des Eintauchens – dessen Paradigma die Pflanze darstellt –, welches nicht nur das Ein- und Durchdringen eines Subjekts in dessen Umwelt ist, sondern auch beschreibt, wie dieses Subjekt gleichzeitig Teil der Umwelt ist und diese wiederum zwangsläufig auch beeinflusst. Diese Immersion ist vor allem im Vorgang des Atems zu beobachten: Der Mensch atmet ein, was andere Lebewesen ausgeatmet haben, Pflanzen verwandeln Kohlendioxid über die Fotosynthese in Sauerstoff. Der Atem ist, laut Coccia, ein Beispielprozess, welcher alle Lebewesen miteinander verbindet und voneinander abhängig macht. Die Atmosphäre ist also als „äußerster Rahmen“ des Atmens der Ort und Prozess der Einheit allen Lebens.
Im nächsten Abschnitt, der „Theorie der Wurzel“, ergründet er die Hybridität der Pflanzen, ober- wie auch überirdisch zu existieren und beide Bereiche miteinander zu verbinden. In ihnen sieht er eine Manifestation des Heliozentrismus, da die Wurzeln den Strahlen der Sonne erlauben würden, bis in die Tiefen des Erdreichs einzudringen. Gleichzeitig verlangt er in diesem Kapitel ein Ende der Betrachtung der Wurzel als vom Rest getrennten Bereich, und begründet diese Abkehr mit einem Geozentrismus, welcher seiner Meinung nach immer noch in den Köpfen der westlichen Philosophie, Religion und im Denken des Menschen verankert sei. Die Erde – und zwar sowohl der Boden als auch der Planet – existiert nicht in Isolation, sondern im Austausch mit ihrem Umfeld. Die Wurzel als Verbindung zur Sonne ist dabei als Sinnbild des Heliozentrismus zu verstehen. Sie wird zum Zeichen dafür, dass das Leben auf Erden nicht nur Teil des Systems der Atmosphäre ist, sondern auch in wechselseitiger Abhängigkeit zur Sonne, zum Universum steht. In diesem Zusammenhang, meint er, sei „dank der Pflanzen […] das Leben nicht ein rein chemisches Faktum, sondern auch und vor allem ein astrologisches.“9 Daher fordert er, die Astrologie (nicht die Astronomie) zu einer „globalen, universellen Wissenschaft“10 zu erheben, da mit ihrer Hilfe die Wechselwirkung des Universums und somit auch des Lebens auf Erden ergründet werden könne. Dabei ist wahrscheinlich davon auszugehen, dass Coccia damit vor allem die ursprünglich mit der Astronomie verbundene Lehre von den Sternen meint und nicht die New Age Bewegung, die anhand von Sternen-Konstellationen Horoskope aufstellt. Er selbst macht jedoch an keiner Stelle diese Unterscheidung.
Im dritten Teil wendet sich Coccia den Blüten zu11. In ihnen sieht er den Sitz der Vernunft, die dem „System Pflanze“ innewohnt, der Ausdruck der Sexualität, der Selbstauflösung, der Veränderung. Dabei sind Blüten, wie auch die Blätter und Wurzeln, Orte der Vermischung, und inklusive ihrer Transformation zum Samen der Ort, an dem die Pflanze auf ihren essentiellen Kern vereinfacht wird, um reproduziert werden zu können. In diesem Sich-Öffnen, Anpassen und Vervielfachen meint Coccia, könne man die Vernunft verorten. Die Vernunft sei ein Prozess der Ermöglichung von Kommunikation, der Erneuerung, der Sicherung der Kontinuität eines Organismus im Kosmos. Wie die Blüte sei sie nur saisonal und „nie ein Organ mit klar definierten, stabilen Formen“, sondern immer in Abhängigkeit von dem sie umgebenden Kontext.
Wenngleich sich Coccia in seinen Ausführungen auf die Schultern seiner Vorgänger in Philosophie und Naturwissenschaften stellt, um aus ihnen einen Diskurs zu formen, aus dem er seine Argumentation wachsen lässt, so fällt dennoch auf, dass er dazu neigt ̶ trotz einer Bekenntnis zur Symbiose der wissenschaftlichen und philosophischen Schulen ̶ eine scheinbar von ihm gedanklich von vorherein festgelegte Schiene nicht zu verlassen.
So ignoriert er in seinen Ausführungen zum einen den Fakt, dass sich nicht alle Pflanzen über Samen vermehren, sondern auch, wie beispielsweise Farne und Moose, über Sporen. Zum anderen lässt er genau jene Organismen außer Betracht, die zum einen in Symbiose mit Pflanzen leben und damit deren Existenz und Funktionalität gewährleisten und zum anderen unabhängig von Pflanzen leben können: Pilze und Bakterien, insbesondere Cyanobakterien (auch Blaualgen). Letztere waren auch für die Entstehung einer sauerstoffhaltigen Atmosphäre auf der Erde verantwortlich, noch bevor Pflanzen überhaupt existierten.12
Diese Auslassungen untergraben Coccias Thesen eines ganzheitlichen, voneinander abhängigen Systems, denn obwohl sie im Grunde genommen ein Argument für eine metaphysische Mixtur sind, handelt es sich bei ihnen um eine Gruppe, die dem Laienpublikum noch weniger bekannt sind als die Pflanzenwelt und deshalb wenigstens als Ausblick oder Anmerkung eine Grundlage für weitere Forschungen und philosophische Diskurse hätten dienen können. Hier stößt Coccias ganzheitlicher, interdisziplinärer Ansatz an seine Grenzen.
Des Weiteren widerspricht er seinem Aufruf, Hierarchien zu überwinden, indem immer wieder von „höheren Lebewesen“ die Rede ist. So schreibt er etwa: „Der Atem ist die erste Handlung jedes höheren Lebewesens“13. Die Idee von einer Scala Naturae scheint also noch tief im Subtext verankert zu sein. Besonders evident wird es, wenn er kurz darauf erwähnt, alles „im Lebendigen“ wäre nur eine „Artikulation des Atmens“, ein „Vibrieren“, welches „die Materie der Welt animiert“14. Ein ‚höheres Lebewesen‘ zu sein, scheint also für diesen allumfassenden Vorgang doch nicht Grundlage zu sein.
Wenn man das Buch aus einer naturwissenschaftlichen Erwartungshaltung liest, kommt nach kurzer Zeit auch die Frage auf, was Coccia mit seinem mäandernden Schreibstil, der fast schon poetischen, sich andauernd wiederholenden Argumentation seines Buches erreichen will. In ihrer Rezension What if Plants Were One of Us beschreibt Rachel Riederer diese als „[…] the musings of someone who has wandered into a high-school science class on photosynthesis after taking a dose of magic mushrooms.”15, was der eher spirituell-philosophisch geprägten Wortwahl geschuldet ist, welche manchem Naturwissenschaftler ein Dorn im Auge sein könnte. Josh Dugat wirft in seiner Besprechung des Buches hingegen eine Interpretation auf, die Coccias Intention, das Eintauchen, das Ein- und Ausatmen, dem Leser so nahe wie möglich zu bringen, auf einer reinen Textebene unterstützt:
[…] it is possible that Coccia ultimately intends The Life of Plants not to be read as an expository text but as an immersive one. […] we are to read as an immersive act – one of fully being in the world – in which ‘thinking and acting, working and breathing, moving, creating, feeling‘ bleed into one another. […] At its most successful, The Life of Plants slips into what sounds like a guided meditation.16
Tatsächlich fühlt sich das Lesen des Buches auch unter Zuhilfenahme der bereits aufgeführten Mängel nicht zwangsläufig wie eine Entdeckungsreise in die Pflanzenwelt an, bei der man Sachverhalte lernt, durch die man die Flora mit anderen Augen sieht. Stattdessen lässt sich zumindest aus naturwissenschaftlicher Sicht eine starke Simplifizierung des komplexen Themas Pflanze beobachten. Es scheint Coccia weniger um konkrete Beispiele zu gehen, mit denen er seine Argumente unterstützen könnte (wie zum Beispiel die Kommunikationssysteme der Pflanzen, welche ihre Einbindung und Wechselwirkung mit der Umwelt skizzieren könnten), sondern mehr um eine Einbindung von Bereichen in den Umwelt-Diskurs, die bisher von den Naturwissenschaften außen vorgelassen wurden. Beispielhaft dafür ist etwa der Einbezug der Philosophie.
Das wird besonders im Epilog evident, in dem sich Coccia gegen eine Spezialisierung in den Wissenschaften ausspricht, da die Beschränkung auf eine Sichtweise, zum einen nicht ermöglicht, mehr als nur einen Ausschnitt einer Sache zu verstehen und zum anderen dem Erkenntnisaustausch im Weg steht, der durch die Auseinandersetzung unterschiedlicher Disziplinen mit einem Sachverhalt ermöglicht werden könnte. Nur die Philosophie – seine ‚Zunft‘17 – schaffe es, wie eine Atmosphäre immer im Austausch, in Veränderung und universal zu sein. In diesem Sinne ist Coccias philosophische Herangehensweise als ein Beitrag zum Diskurs um die Rolle der Pflanze in der Weltsicht des Menschen zu betrachten.
Gerade im Licht der aktuellen Debatte über das Anthropozän, angesichts des Verlusts der Artenvielfalt, Naturkatastrophen, Umweltverschmutzung und den immer sichtbarer werdenden Auswirkungen des Klimawandels, kann man das wachsende Interesse an der Pflanzenwelt als eine immer wieder in der Geschichte aufkommende verstehen. Das Interesse an der Natur scheint dabei meist zu steigen, wenn sie oder kulturell geschätzte Teile davon in Gefahr sind. Das Zeitalter der Romantik sehnte sich literarisch und künstlerisch nach den ursprünglichen Wäldern, die zeitgleich in den Fabriken verheizt oder in Bergwerken und Werften verbaut beziehungsweise als Brennmaterial benutzt wurde. Während der Industrie-Forst der Artenvielfalt des Waldes ein Ende machte, um gerade schnellwachsende Fichten für Schienenbau und Telegrafenmasten heranzuziehen, sehnten sich nebenbei Naturwaldbewegung und Arts-and-Crafts-Bewegung nach den „ursprünglichen“ wilden Wäldern und Landschaften zurück, die sie meist nur aus Märchen kannten.
Auch in den letzten Jahren verzeichnete sich ein vergleichbarer Trend, in dem Bücher und Filme über das verborgene Leben der Natur wie Pilze aus dem Boden sprießen. Im Trend liegen dabei neben den bereits erwähnten Publikationen Peter Wohllebens, dessen Bücher und Filme über den Wald und die Netzwerke der Natur ein breites Publikum jenseits der Forstbotanischen Fachwelt erreichen, vor allem auch Texte und Videos zum Thema Selbstversorgung und einem Leben im Einklang mit der Natur.
So boomt das Interesse zum Urban Gardening, Gartennetzwerke strecken ihre Ausläufer durch viele Großstädte, die Sehnsucht nach dem Erhalt alter Arten und dem Sich-selbst-versorgen bildet einen Gegenpol zur immer schneller digitalisierten Welt und der vorrangig an Effizient und Optimierung orientierten konventionellen Landwirtschaft. Das Interesse an der Pflanzenwelt ist da, nur steht die Frage im Raum, ob ein Paradigmenwechsel, wie Coccia ihn vorschlägt, für den Menschen überhaupt denkbar ist: Wie Kritiken – beispielsweise Mark Zollingers Artikel über Die Wurzeln der Welt in der NZZ schon in seinem Titel Die Natur ist der neue Gott – verraten, ist allein Coccia’s Suggestion, die Pflanze als Schöpfer des Lebens und Spender des Atems, mit dem wir uns mit unserer Umwelt verbinden, nur verständlich, wenn man vorhandene Glaubensmuster auf die Pflanzenwelt überträgt18. Doch das ist genau konträr zu Coccia’s Ansatz: Er will weg von theologischen Mustern und hin zu einem ganzheitlichen Verständnis. Aber wahrscheinlich ist genau diese Losgelöstheit von Hierarchien und zoologischen Interaktionen ein abstraktes Konzept in einer Welt, die darüber funktioniert, dass sie Kategorien und Grenzen zieht, anstatt vernetzt und osmotisch in- und auseinander zu fließen. Coccias These, die „westliche Welt“ habe sich weder in der Philosophie noch in der Denkweise des Menschen vollständig vom Geozentrismus verabschiedet19, unterstreicht die Schwierigkeit, die ein Umdenken, welches weg von den über Jahrhunderte überdauernden Denkmustern auf ein unbekanntes Terrain führt, bedeutet.
Vielleicht ist es deshalb auch nicht die materielle Pflanzenwelt, um die es Coccia in seinem Buch wirklich geht, sondern eine Befeuerung dieses Umdenkens. Dennoch steht er mit seinen Beobachtungen jenseits der Naturwissenschaften auf die Pflanzen nicht allein da. Auch Stevie Wonder, der aus einer ganz anderen Disziplin, der der Kunst und Musik, stammt, ist mit seinem Beitrag Teil der metaphysischen Mixtur, wobei er ganz auf der Seite Coccias steht:
But if you ask yourself where would you be/ Without them you will find you would not/
And some believe antennas are their leaves/That spans beyond our galaxy/ They've been, they are and probably will be/ Who are the mediocrity20
Die Pflanze und nicht der Mensch als Durchschnitt, als Maß der Welt: vielleicht ein erster Schritt ins Phytozän.
Fußnoten
1 Wonder, Stevie (1979): The Secret Life of Plants. In: Stevie Wonder’s Journey through the Secret Life of Plants. http://www.songlyrics.com/stevie-wonder/the-secret-life-of-plants-lyrics/ (letzter Zugriff: 20.2.2020) 2 Galston, Arthur (1974): The Unscientific Method. In: Natural History, 83, S. 18-24. 3 Wohlleben, Peter (2015): Das geheime Leben der Bäume. Was sie fühlen, wie sie kommunizieren – die Entdeckung einer verborgenen Welt. München: Ludwig Verlag. 4 Koechlin, Florianne (Hg.) (2014): Jenseits der Blattränder. Eine Annäherung an Pflanzen. Basel: Lenos. 5 Koechlin, Florianne (2009): Pflanzenpalaver. Belauschte Geheimnisse der botanischen Welt. Basel: Lenos. 6 Mancuso, Stefano/Viola, Alessandra (2015): Die Intelligenz der Pflanzen. München: Kunstmann. 7 o. Vf. (o. D.): Emanuele Coccia. In: Hanser Literaturverlage: https://www.hanser-literaturverlage.de/autor/emanuele-coccia/ (letzter Zugriff: 13.02. 2020). 8 Coccia, Emanuele (2018): Die Wurzeln der Welt. München: Hanser, S. 42. 9 Coccia, Emmanuele (2018): Die Wurzeln der Welt. München: Hanser, S. 120. 10 Ebenda. 11 Über die nicht alle Pflanzen verfügen, was er auch einräumt, wenngleich er Blüten nur den „am weitesten [E]ntwickelten“ zuerkennt und sich damit an eine hierarchische Ansicht der Pflanzenwelt anlehnt. 12 Hollan, Heinrich D. (2006): The Oxygenation of the Atmosphere and Oceans. In: Philosophical Transactions of the Royal Society, Nr. 361, S. 903-915. http://doi:10.1098/rstb.2006.1838 (letzter Zugriff: 13.02.2020). 13 Coccia, Emanuele (2018): Die Wurzeln der Welt. München: Hanser, S. 75. 14 Ebenda, S. 76. 15 Riederer, Rachel (2019): What if Plants Were One of Us. In: The Nation. https://www.thenation.com/article/archive/emanuele-coccia-the-life-of-plants-review-book/ (Zugriff: 02.01.2020). 16 Dugat, Josh (2019): The Life of Plants. A Metaphysics of Mixture by Emanuele Coccia. Review. In: Black Warrior Review. https://bwr.ua.edu/review-the-life-of-plants-a-metaphysics-of-mixture-by-emanuele-coccia/ (Zugriff: 02.01.2020). 17 Coccia, Emmanuele (2018): Die Wurzeln der Welt. München: Hanser, S. 143. „universitas bezeichnet als Fachwort eine Zunft […] es handelt sich um eine epistemologische Korporation.“ 18 Zollinger, Mark (2019): Die Natur ist der neue Gott. In: Neue Züricher Zeitung: https://www.nzz.ch/gesellschaft/die-natur-ist-der-neue-gott-ld.1384459 (letzter Zugriff: 02.01.2020). 19 Coccia, Emanuele (2018): Die Wurzeln der Welt. München: Hanser, S. 115. 20 Wonder, Stevie (1979): The Secret Life of Plants. In: Stevie Wonder’s Journey through the Secret Life of Plants. http://www.songlyrics.com/stevie-wonder/the-secret-life-of-plants-lyrics/ (letzter Zugriff: 20.02.2020).