Stephan Moebius: Programmatik der Kulturwissenschaft. Eine Ergänzung zu Hartmut Böhmes Perspektiven der Kulturwissenschaft
Abstract: In order for the study of culture to be recognized as an autonomous subject, a profile of the discipline is necessary which clearly defines its purpose and its distinct, preferred goals, fields and topics. The suggestion is to establish the objectives based on three key issues: ‘What does it mean to act culturally?’, ‘What is cultural order?’ and ‘What determines cultural change?’ In the second half, I will present Hartmut Böhmes’ suggestion taking up preferred fields of cultural analytical work and supplement it with cultural sociology fields. The third part concerns a contemporary analytical profile of the study of culture, seen in society and cultural critique, especially in analysis of symbolic power.
Keywords: cultural sciences, cultural practices, order of culture, cultural change, social criticism, cultural criticism, symbolic regimes
1 Profilbildung
Wirft man einen Blick auf die Soziologie oder allgemeiner, auf die Sozialwissenschaften, lassen sich nach Hans Joas und Wolfgang Knöbl (2004) drei Schlüsselfragen ausmachen: „Was ist soziales Handeln?“, „Was ist soziale Ordnung?“ und „Was bestimmt sozialen Wandel?“. Meiner Ansicht nach lassen sich diese drei Fragen, um die sich die Theorie- oder Forschungsentwicklung in der Soziologie auf unterschiedliche Weise dreht, auch für die Profilbildung der Kulturwissenschaft nutzbar machen. Im Zentrum einer programmatischen Zielsetzung kulturwissenschaftlicher Forschung stünden dann die Fragen: „Was ist kulturelles Handeln?“, „Was ist kulturelle Ordnung?“ und „Was bestimmt kulturellen Wandel?“. Jede der Fragen kann wie bei ihren Pendants in der Soziologie jeweils mit ganz unterschiedlichen Theorien und Methoden angegangen werden. Und es ist klar, dass sich nicht alle Kulturtheorien und -forschungen in gleicher Weise intensiv mit den Fragen beschäftigen können oder werden, das ist ja auch in der Soziologie nicht der Fall, wo manche eher den Schwerpunkt auf die Ordnungsfrage, andere wiederum auf die Handlungsfrage setzen.
Bezogen auf Kulturwissenschaft bedeutet eine Profilbildung entlang dieser drei Schlüsselfragen: Nur die Kulturwissenschaft ist für diesen Fragenkomplex nach kulturellen Handlungen, kultureller Ordnung und kulturellem Wandel in erster Linie zuständig. Während etwa eine kulturgeschichtliche Perspektive viel zur Frage des kulturellen Wandels sagen kann, so bleibt bei ihr eine handlungs- oder praxistheoretische Frage nach der theoretisch-systematischen Bestimmung von kulturellem Handeln oder kulturellen Praktiken vielleicht eher offen bzw. wird eher aus Kulturtheorien oder anderen benachbarten Theorietraditionen bezogen (etwa aus Pierre Bourdieus Soziologiekonzeption). Ich möchte damit keineswegs die Kulturgeschichte in Frage stellen, nichts läge mir als historiographisch arbeitender Kultursoziologe ferner; kulturgeschichtliche Fragestellungen und Orientierungen sind der Kulturwissenschaft eigen, da sie eben für die Vergangenheit der drei Schlüsselfragen zentral sind: was war kulturelles Handeln?, was war kulturelle Ordnung? und vor allem: wie vollzog sich kultureller Wandel? – ebenso wie kulturanthropologische, -philosophische -oder soziologische Perspektiven für die Fragen zentral und Teil der Kulturwissenschaft sind. Was ich damit hervorheben möchte ist, dass diese drei Fragestellungen („Was ist kulturelles Handeln?“, „Was ist kulturelle Ordnung?“ und „Was bestimmt kulturellen Wandel?“) in ihrer Fokussierung auf das Kulturelle nicht gänzlich von einem anderen Fach gelöst werden können, sondern das kann nur die umfangreiche, die unterschiedlichen Teilaspekte des Kulturellen umfassende kulturwissenschaftliche Perspektive, eine Kulturwissenschaft eben, die – ähnlich der Soziologie – ihre Erkenntnisse aus anderen Fächern für ihre eigene Konturierung mit einbezieht – sofern diese etwas für den Aspekt der Kulturalität eines Phänomens zu sagen haben. Mit ‚Aspekt der Kulturalität‘ ist gemeint, dass sich Phänomene in der Regel nicht nur auf ihre kulturellen Aspekte reduzieren lassen, sondern auch auf andere Aspekte (soziale, materielle) verweisen – was wiederum umgekehrt nicht bedeutet, dass die Phänomene kulturlos seien.
Das Besondere an der Kulturwissenschaft, das was ihre Ortsbestimmung im Feld der anderen Fächer oftmals so schwierig macht, ist, dass alle Phänomene, von Ideen bis hin zur Wahrnehmung nicht-menschlicher Dinge, Tiere, Pflanzen etc. kulturell kodiert sind. Im Prinzip gibt es demnach nichts, was nicht grundsätzlich zum Thema kulturwissenschaftlicher Forschung avancieren könnte. Das teilt sie mit der Soziologie: Da alles eine gesellschaftliche Kodierung aufweist, spielen soziologische Perspektivierungen ebenfalls in alle Fächer hinein, von den Wirtschafts- und Religionswissenschaften bis in die Kulturwissenschaft; man denke etwa an den Bereich der Kulturtheorien, wo einem in einschlägigen Überblicksbänden Artikel über Bourdieu oder Luhmann ins Auge fallen, weil die Kultur soziale Dimensionen enthält. Alle Phänomene wie Wirtschaft, Bildung, Recht, (Natur- und Geistes-)Wissenschaft, Religion oder Politik (ich beschränke mich hier auf diese Felder) weisen soziale Dimensionen auf, die soziologische Betrachtungsweisen und Erklärungen geradezu herausfordern. Sie weisen alle aber auch eine kulturelle Dimension auf. Und diese erfordert eben auch eine dezidiert kulturwissenschaftliche Perspektive, die nur so die Kulturwissenschaft bieten kann. Insofern ergänzen sich Soziologie und Kulturwissenschaft, ohne aufeinander reduzierbar zu sein.1
Es geht hier also um das, was Karl Mannheim (1985 [1929]: 230) eine Aspektstruktur der Erkenntnis nannte (vgl. im Zusammenhang mit der Aspektstruktur der Kultursoziologie Rehberg 2014: 395): Während die Soziologie insbesondere die Aspekte gesellschaftlicher Kodierung aller Phänomene in den Blick bekommt, schaut die Kulturwissenschaft insbesondere auf die kulturellen Aspekte und Kodierungen der Phänomene, die prinzipiell immer beide Seiten aufweisen.2 Schwierig haben es dann in den jeweiligen Disziplinen Ausrichtungen wie die Kultursoziologie, die dazwischen steht, weil sie aus zwei Perspektiven gleichzeitig schaut (vgl. Moebius/Albrecht 2014). Aber auch so eine Doppelperspektive im Erkenntnisinteresse, eine Gleichzeitigkeit soziologischer und kulturwissenschaftlicher Methodologie, schließt sich nicht aus, sondern kann sogar fruchtbar miteinander verbunden werden, wie etwa die gemeinsamen Klassiker der beiden Fächer Soziologie und Kulturwissenschaft, Max Weber und Georg Simmel, belegen.
2 Arbeitsfelder, Themen, Kanon
Hartmut Böhme hat auf instruktive Weise unterschiedliche Felder kulturanalytischer Arbeit in den Mittelpunkt gerückt. Er hat dabei die sozio-kulturell verhandelten Gegensatzpaare nutzlos/ nützlich, Arbeit/Erschöpfung, Risiko/Sicherheit und säkular/religiös in den Blick genommen und damit wesentliche Felder einer historischen und gegenwartsbezogenen kulturwissenschaftlichen Analyse angesprochen. Das sind Themen, die heute für eine Kulturwissenschaft relevant sind und die auch in anderen Fächern (mit Betonungen einer anderen Perspektive), insbesondere in der Soziologie, behandelt werden, sei es unter den Labels „Risikogesellschaft“, „Gouvernementalität“, „Umstrittene Säkularisierung“ oder „Das erschöpfte Selbst“ (Ehrenberg). Die Kulturwissenschaft hat aus ihrer Perspektive eben auch etwas dazu zu sagen.
Natürlich sind das nicht die einzigen Felder, die in den Blick kommen können und ich möchte vor dem Hintergrund der Soziologie noch folgende Oppositionspaare, um die sich gesellschaftliche und kulturelle Kämpfe drehen, anführen: Gemeinschaft/Gesellschaft, Kreativitätsdispositiv/Langweiligkeit, Erlebnis und Aufmerksamkeit/Routine und Monotonie, Authentizität/Entfremdung oder in Variation: Anerkennung, Resonanz/Entfremdung, Tragödie der Kultur (Simmel), Autonomie/ Rollenverhalten, Normalisierung/Überschreitung, Individuum/Gesellschaft, sakral/profan, Fremd-/ Selbstzwänge, Moderne/Postmoderne; methodologisch ließe sich zum Beispiel noch der Gegensatz zwischen epistemologischem Bruch mit dem Alltagswissen (Bachelard, Bourdieu)/phänomenaler Beschreibung ausmachen.
Das sind beispielhafte Themenfelder, die in der (Kultur-)Soziologie eine zentrale Rolle spielen, auch heute noch aktuell diskutiert werden und an die Gegensatzpaare von Hartmut Böhme angeschlossen werden können, für eine Durchdringung aus spezifisch kulturwissenschaftlicher Perspektive, das heißt, mit einem Fokus auf die kulturellen Aspekte dieser Themen (s. 1.). So wäre etwa beim Oppositionspaar Gemeinschaft/Gesellschaft der kulturelle Aspekt etwa die Frage nach den die Gemeinschaft oder Gesellschaft durchziehenden Werten, symbolischen Ordnungen oder Ritualen; der soziale Aspekt wäre etwa die Sozialstruktur, die Verteilung der Klassen und Milieus. Beides ist analytisch nicht aufeinander reduzierbar, lässt sich aber auch nicht ohne einander denken, da beide Aspekte wechselseitig verschränkt sind. Bourdieu hat dies in seinen Analysen zu den Kapitalformen, Habitus und dem sozialen Raum eindrücklich gezeigt, dass bestimmte Milieus spezifische Wert-, Denk-, Beurteilungs- und Verhaltensmuster an den Tag legen, aber auch schon Émile Durkheim verwies mit Blick auf das Oppositionspaar Gemeinschaft/Gesellschaft auf die enge Kopplung zwischen dem Sozialen und Kulturellen, insbesondere mit seinen Konzepten der mechanischen und organischen Solidarität, die besagen, dass einer bestimmten sozialen Struktur auch spezifische kulturelle Phänomene entsprechen (zum Beispiel spezifische Rechtsformen). Alle der oben erwähnen Oppositionspaare sind aber nicht in Stein gemeißelt und eine Kulturwissenschaft tut gut daran, auch in anderen Debatten solcher Art mitzumischen.
Auf einer anderen, eher an benachbarten Fachdisziplinen orientierten Ebene lassen sich noch weitere Arbeitsfelder und Themengebiete für ein kulturwissenschaftliches Programm benennen. Ich beziehe mich dabei auf die hilfreiche Orientierung Kulturwissenschaft von Hartmut Böhme, Peter Matussek und Lothar Müller (2002). Hier werden folgende „vorherrschende“ Arbeitsfelder genannt (Böhme u.a. 2002: 104ff.): Wissenschaftskulturen, Kulturgeschichte der Natur, Historische Anthropologie, Erinnerung und Gedächtnis, Kulturgeschichte der Technik und Mediale Praktiken. Auch hier könnte ich mir generell weitere Öffnungen vorstellen, immer im Blick, dass es die Themenfelder aus dem kulturwissenschaftlichen Blick zu betrachten gilt: ich denke etwa dabei an die Öffnung hin zur Kulturökologie (vgl. Finke 2003) oder zur Psychoanalyse (vgl. Kramer 2003). In Bremen wurden während meines Kulturwissenschaftsstudiums auch Seminare zur Sozialpsychologie des Faschismus oder zur Kulturtheorie der Psychoanalyse angeboten (legendär war die kulturtheoretische ‚Übersetzung’ Lacans durch Matthias Waltz); auch verstärkt zur Philosophie und Kunst (ich erinnere mich an die beispiellosen Seminare bei Peter Bürger zu Heidegger, Vernunftkritik der Moderne und Avantgarde). Dass eine Öffnung möglich und auch wünschenswert ist, ist wahrscheinlich wenig umstritten.
Schwieriger hingegen ist das Verhältnis zu den so genannten studies (vgl. Moebius 2012) zu bestimmen und sich diesen gegenüber als Fachdisziplin zu positionieren. Das betrifft aber nicht nur die Kulturwissenschaft, sondern auch andere Fächer. Die Ausdifferenzierung der studies in immer weitere Einzelbereiche wird wahrscheinlich weiter voranschreiten. In den unterschiedlichen Fachdisziplinen machen sich bereits kritische Stimmen bemerkbar, die einfordern, die genuinen Leistungen, Aufgaben und Möglichkeiten der Disziplinen, aus denen sich die studies im Wesentlichen speisen oder entwickelt haben, nicht aus den Augen zu verlieren. Die Verdienste der studies sind jedoch nicht in Abrede zu stellen, waren sie es doch gerade, die ehemalige Randthemen wie Sexualität (queer studies), sinnliche Wahrnehmung (visual oder sound studies), Verrräumlichung (space studies) oder kulturelle Hybridität (postcolonial studies) überhaupt erst im sozial- und kulturwissenschaftlichen Feld zu einem fächerübergreifenden Thema gemacht haben. Der Kulturwissenschaft würde ich in diesem Falle dasselbe raten, wie ich es der Soziologie empfohlen habe (vgl. Moebius 2012: 20): einen übergreifenden Blick einzunehmen, der die Analyseobjekte der studies ebenfalls im Sinne der Aspektstruktur als spezifische, wichtige Analysen von bestimmten Themen und Themenfeldern der gesamten, sich nicht allein auf diese Teilaspekte wie Sexualität, sinnliche Wahrnehmung, Postkolonialität etc. zu reduzierenden Kultur betrachtet. Der Fokus läge hier demnach darin, die unterschiedlichen Themenfelder der studies wie Sexualität oder Visualität wieder in einen größeren kulturellen Rahmen einzuordnen und in Beziehung zu setzen. Vielleicht ließe sich so ein kultureller Zusammenhang erkennen, der bei der Einzelbetrachtung verborgen bleibt, so dass etwa die Verwobenheit von spezifischen Formen von Sexualität, Visualität, Postkolonialität, Räumlichkeit erkennbar wird, oder aber auch umgekehrt, wie sich vielleicht bestimmte Formen von Sexualität und Räumlichkeit in Kultur und Gesellschaft ausschließen. Jedenfalls scheint mir der Vorteil und das Alleinstellungsmerkmal der Kulturwissenschaft gegenüber den studies zu sein, deren Fokus und Privilegierung von Einzelbereichen zusammenzuführen.
3 Kultur- und Gesellschaftskritik
Die Kulturwissenschaft sollte keine selbstbezügliche Wissenschaft sein und deshalb die Frage nach den gesellschaftlichen und kulturellen Macht- und Herrschaftsverhältnissen explizit in ihre Profilbildung mit aufnehmen. Das heißt, sie sollte Teil einer Gesellschafts- und Kulturkritik sein, die bestehende gesellschaftliche Herrschaftsverhältnisse sowie Institutionen und symbolische Ordnungen, die den Interessen der Herrschaftsausübung dienen, problematisiert oder explizit in Frage stellt, deren Herrschaftscharakter sichtbar macht und auch Möglichkeiten praktischer Veränderung und Kritik auf dem Niveau wissenschaftlicher Standards offenlegt. Es geht also um die Analyse der (historischen, legitimatorischen) Bedingungen von Herrschaft und Macht, die es unter den Bedingungen wissenschaftlicher, intersubjektiv überprüfbarer Standards zu reflektieren gilt.
Ein für die Kulturwissenschaft besonders prädestiniertes Feld der kritischen Analyse scheint mir das zu sein, was Bourdieu „symbolische Herrschaft“ genannt hat (vgl. beispielsweise Bourdieu 2005a, 2005b, 2005c, 2007). Kennzeichnend für die symbolische Herrschaft ist, dass sie auf der symbolisch-sinnhaften Ebene des Selbstverständlichen und Alltäglichen operiert. Sie führt zur Bejahung, Verinnerlichung und Verschleierung von gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnissen (vgl. Peter 2011; Moebius 2011; Moebius/ Wetterer 2011; Moebius 2015). Die symbolische Herrschaft ist „allen gesellschaftlichen Beziehungen strukturell immanent“ (Moebius/Peter 2009: 28), sie ist aber vor allem über Kultur, das heißt über die symbolischen Dimensionen des sozialen Lebens, die Sinnbezüge, die Weltansichten, selbstverständlichen Denkweisen und kulturellen Artefakte vermittelt. Nur über Kultur kann die symbolische Gewalt eine unanzweifelbare Geltung in der Wahrnehmung der Menschen erlangen, bei der ihr Repressionsgehalt weder unmittelbar bewusst wird noch offen zutage tritt. Sie ist eine ‚Gewalt“, die insbesondere in Kultur produzierenden Institutionen wie im öffentlichen Bildungswesen, in Kirchen, Parlamenten und Medien, in Literatur- und Kunstbetrieben sowie in den Wissenschaften auftritt und verbreitet wird, also in Institutionen, die für gewöhnlich den Ruf zweck- oder besonders herrschaftsfreier Gebiete genießen. Der kulturwissenschaftlichen Kritik käme dann die Aufgabe des „epistemologischen Bruchs“ (Bachelard), der Dekonstruktion und Entbergung der symbolischen Herrschaftsverhältnisse zu.
Denn fasst man die wesentlichen Punkte symbolischer Herrschaft zusammen (vgl. Mauger 2005: 218ff.), dann wirkt sie erstens „vornehmlich in der und durch die Sprache“, Kommunikationsbeziehungen sowie durch Denk- und Wahrnehmungsschemata. Ausgeübt wird sie zweitens durch Gesten, Rituale, Verhaltensweisen und Dinge. Hierbei geht es vor allem in einer Art „Amnesie der Entstehungsgeschichte der symbolischen Herrschaft“ (Bourdieu/Passeron 1973: 18; Mauger 2005: 219) um die Verschleierung, Kaschierung und Naturalisierung der Machtverhältnisse (z.B. die Naturalisierung der männlichen Herrschaft), woraufhin die Macht legitimiert wird, welche der kultur- und machtkritische Blick freilegt. Drittens setzt symbolische Herrschaft voraus, dass die Machtverhältnisse, auf denen die Gewalt und Herrschaft beruht, verkannt und zugleich „die Prinzipien, in deren Namen sie ausgeübt wird, anerkannt werden“ (Mauger 2005: 218).
Um die Mechanismen symbolischer Herrschaft adäquat aus den Alltagsvorstellungen und -praktiken herauszudestillieren, sie analysieren und interpretieren sowie kritisch hinterfragen zu können, bedarf es eines durch die soziologische und kulturkritisch-dekonstruktive Analyse herbeigeführten Bruchs mit dem Alltagsverständnis (der doxa). Wie bereits der Wissenschaftshistoriker Gaston Bachelard hervorgehoben hat, auf den Bourdieus Überlegungen zum Bruch mit der „Spontansoziologie“ beruhen (vgl. Moebius/Peter 2009b), lassen sich erst durch diesen Bruch neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu Tage fördern und gesellschaftliche Herrschaftsverhältnisse offenlegen (vgl. auch Bourdieu/Wacquant 1996: 205).
4 Fazit
Die Kulturwissenschaft hat ein eigenes Profil, nur mit ihr können Fragen nach kulturellen Praktiken, Ordnungen und Wandel adäquat und hinreichend beantwortet werden. Sie hat klare Themenfelder und sie hat die Möglichkeit, ihr Profil zu stärken, in dem sie sich mit den sozio-kulturellen Problemen der Gegenwart auseinandersetzt, wie ich das am Beispiel der Analyse und Kritik von symbolischer Herrschaft angedeutet habe. Dabei schließen sich Profilbildung und das Betreten neuer Pfade, von denen man vorher nicht weiß, wohin sie führen, absolut nicht aus, vielleicht bedingt sich beides glücklicherweise sogar.
Literaturverzeichnis
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Fußnoten
1 Gemeinsam ist beiden eine genuin historische Perspektive auf soziale und kulturelle Phänomene, die in beiden Disziplinen sowohl sozial- als auch kulturgeschichtlich orientiert sein kann. 2 Das bedeutet nicht, Kultur ist die Gesamtheit der Phänomene, sondern dass Sozialität und Kulturalität zwei nicht auf einander reduzierbare Teile eines Phänomens sind, die je nach Aspektperspektive der Erkenntnis (Soziologie bzw. Kulturwissenschaft) jeweils in den Vordergrund gerückt werden.